Das Gotteshaus in Blottendorf
Mein Besuch von Ober-Preschkau hinterließ die Anregung für das Weiterforschen nach den Bauwerken des in Raudnitz seßhaft gewordenen italienischen Architekten Peter Paul Columbani, dem Dlabacz auch die Kirche in Blottendorf zuschrieb. In nächster Nähe dieser Ortschaft, in der Bürgsteiner Sommerfrische weilend, trieb mich jener Dlabacz-Bericht endlich doch zur Nachschau.
So eines schönen Tages in der Halbkutsche des wohlbekannten Fuhrwerkers Fritsche sitzend und die teils von Obst-, teils von Waldbäumen eingesäumte Straße von Bürgstein nach Haida dahinrollend, war ich auch glücklich über das Haidaer Marktplatz-Pflaster hinaus auf die rechts ablenkende Blottendorfer Straße gelangt, die bergan durch eine mit echt deutschen Wohnsitzen und Ziergärten bebaute Talmulde führt. Besonders bemerkbar machen sich viele in die Ansiedlung angereihte Gebäude, in welchen von Alters her die der Ortschaft zu Wohlhabenheit verhelfende Glasraffinerie betrieben wird.
Je höher der Anstieg, desto interessanter wird die Landschaft durch die den Weg beiderseitig begleitenden bewaldeten Höhenzüge, die schließlich auf eine Plattform ausmünden. Schon wird das in schöner Gestaltung über dichte Laubbäume emporragende Gotteshaus sichtbar. Vor dem stattlichen Pfarrhause haltend, wurden wir von dem dasselbe bewohnenden Herrn Pfarrer Böhm freundlichst aufgenommen, und wurde alsbald der durch lebende, frisch grüne Umzäunung führende Weg zum Gegenstande meiner Forschung angetreten, wobei ich sogleich zur Wahrnehmung kam, das Gotteshaus sei tatsächlich ein Werk Columbani’s, und zwar ein noch bedeutenderes wie jenes in Ober-Preschkau. Obschon im Ganzen dem dortigen Bau ähnlich, ist die Stirnseite hier vornehmer im Aufbau und die Stellung des Glockenturmes wie des Sanktustürmchens eine günstigere, nämlich zu schönerer Gruppe mit dem Schiff vereinte. Hauptzier der Stirnseite sind vier jonisierende Pilaster und der über dem scharf profilierten Kranzgesimse sich erhebende geschweifte Giebel, dessen Nische das Kirchentitelgebilde, die Trinität , enthält; die Pilasterstellung setzt sich an den Längsseiten des Schiffes fort. Der eisenbeschlagenen, eichenen Eingangstüre ist ein Windfang vorgestellt. – Das Innere der Kirche wirkt trotz der einfachsten tektonischen Behelfe – dem geschmackvoll profilierten, auch das Presbyterium durchlaufenden Gesimse, auf dem die Gewölbgurten der Decke ruhen, und den die Wandungen belebenden Pilaster – äußerst harmonisch. Der Hochaltar besteht eigentlich nur aus einer mit zierlichen Säulchen versehenen Predella. Das Altargemälde (Dreieinigkeit) von geringem Kunstwerk ist an die Abschlußwand zurückversetzt. Die freihängende Kanzel mit Relief im Vorderteil ist wie die beiden Seitenaltäre in einfachster barockform gehalten. Den Hauptschmuck der Kirche bilden erst im Pfarrhause sichtlichen Kunstwerke: die an 80 Zentimeter hohe, feuervergoldete, mit zahlreichen Edelsteinen besetzte, aus Spanien stammende Monstranz, ein Meisterwerk der Barock-Kleinkunst. Gleich wertvoll sind die hier verwahrten liturgischen Festgewänder, italienischer Herkunft; Pluviale, Diakonengewandung, Tasula, manipel, Stola und Kelchdecke nebst Belum. Alles mit Goldfäden und farbiger Seide auf schwerem weißen Atlas auf das kunstreichste gestickt. Es sind das Geschenke von Orteinwohnern, welche durch den Glasexport zu Wohlhabenheit gekommen.
Zurückwerfend auf den bau des so wohl bedachten Gotteshauses, das insbesondere noch durch seine Stellung als Dominante des ganzen Geländes Bedeutung gewinnt, bleibt auch zu schließen, daß der Baumeister sein Werk mit Bedacht in die gegebene Außenform brachte. Ich schied überhaupt von dannen mit der Überzeugung daß Blottendorf einer geschichtlich bedeutenden Vergangenheit entwuchs. Ohne Zweifel war es, als Ansiedlung in dichter Bewaldung, vorerst auch nur mit einem Holzkirchlein versehen; es mußten die alle Kultur verwüstenden Stürme seitens der Hussiten wie während des dreißigjährigen Krieges vorüber gezogen sein, bevor aus der nachfolgenden Friedenszeit wieder Kulturpflanzen erstehen konnten u. zw. In den Besitzern urbar gemachter Scholle. Ihrem Antriebe, diese Scholle wieder bewohnbar zu machen für neue Ansiedler, erwies es sich dabei wohl ganz besonders notwendig, Baumeister zu berufen für Errichtung eigener fester Sitze, wie für Gotteshausbauten. Und weil im Lande nicht vorrätig, kam es zunächst zur Berufung solcher aus Italien, denn es ist festzustellen, daß die meisten, in der nachfolgenden Friedenszeit in Böhmen entstandenen Monumentalbauwerke von Italienern geschaffen wurden; und daß Columbani unter diesen einer der besten war, beweisen die Gotteshäuser in Blottendorf, Chotieschau, Ober-Preschkau und Steinschönau.
Prof. Rudolf Müller
Quelle: Mitteilungen des Nordböhmischen Exkursionsklub (Band 26)
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